Neben 133 Wettbewerbsfilmen zeigen wir auch ausgewählte, kuratorische Programme in den Sektionen „Labor der Gegenwart“ und „Archiv der Gegenwart“. In diesem Jahr führen wir den 2022 begonnenen Fokus auf migrantischen Film in Deutschland fort – und blicken außerdem auf zwei jugoslawische Filmschaffende und ihre Arbeiten in und aus Deutschland.
LABOR DER GEGENWART: DENK ICH AN DEUTSCHLAND
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ In Anlehnung an diese Zeilen Heinrich Heines, mit denen bis heute hiesiges problematisches, politisches Geschehen kommentiert wird, blickt das „Labor der Gegenwart“ kritisch auf Deutschland. Eine subversive, aktivistische, aber auch lustvolle Haltung verbindet die fünf Filmprogramme in dieser Sektion. Sie begegnen der komplexen deutschen Geschichte filmisch mit einer Vielstimmigkeit aus Identitäten und Kulturen.
Das Programm „Auf dem rechten Auge blind“ (kuratiert von Florian Wüst) bündelt filmische Reaktionen auf rechtsextreme Gewalt und strukturelle Blindheit der staatlichen Institutionen gegenüber Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. „Das schönste Fenster der Welt“ (Florian Wüst) collagiert diverse TV-Ausschnitte und zeigt, wie unkonventionell, progressiv und nahezu aktivistisch Massenkommunikation jenseits von Einschaltquoten in der BRD sein konnte und kann. „Oh pleasure up yours!“ (Mara Marxsen) weiß um das komplexe Verhältnis von Geschlecht, Lust, Macht und Bildern, feiert aber gleichzeitig die Lust an Filmen und die Lust durch Filme. Wilde, wütende Filme treffen im Programm „Alltag und Aufruhr. Gegenerzählungen aus der DDR“ (Conny Klauß) auf Widerstandsnester, Alltagsbeschreibungen und den Verdruss einer erschöpften Gesellschaft. Und „Wir müssen reden“ (Sarnt Utamachote) zeigt die Vielfältigkeit der Migrationsgeschichten vom asiatischen Kontinent nach Deutschland auf und macht deutlich, wie sich die Filmemacher:innen in der Geschichte, die sie erzählen, positionieren.
ARCHIV DER GEGENWART: IM GEGENLICHT
Das Archiv der Gegenwart, kuratiert von Tobias Hering, beschäftigt sich in zwei Programmen mit den jugoslawischen Filmschaffenden Irena Vrkljan und Želimir Žilnik.
Želimir Žilnik gehörte Ende der 1960er Jahre zu den bekanntesten Regisseur:innen der „Schwarzen Welle“ – eine Reihe an Filmen, die sich kritisch mit der jugoslawischen Gesellschaft beschäftigten. Mitte der 1970er Jahre zog er für einige Zeit nach München und legte auch in seinen hier entstandenen Filmen den Finger auf wunde Punkte, thematisiert Ausländer:innenfeindlichkeit und strukturelle Gewalt in der westdeutschen Gesellschaft. In Anwesenheit von Žilnik zeigen wir in Deutschland gedrehte Kurzfilme, von denen einige lange als verschollen galten, unlängst jedoch in verschiedenen Archiven wieder aufgetaucht sind.
Irena Vrkljan war Dichterin, Filmemacherin, Übersetzerin und Hörspielautorin. Sie lebte 50 Jahre zwischen Berlin und Zagreb, schrieb und erzählte vom Leben zwischen diesen Welten, die nicht zusammenkamen und doch untrennbar wurden. Als sie 1966 ein Regiestudium an der neu gegründeten dffb in Berlin begann, war sie 36 und in Jugoslawien bereits als Fernsehautorin und Dichterin etabliert. Die vier Filme, die sie an der dffb realisierte, sind Ortserkundungen einer Rutengängerin, Geschichten vom „Schattenberlin“, aber auch kritische Positionierungen zur politisch bewegten Generation, der sie angehörte.
Das vollständige Programm erscheint Mitte/Ende Mai online auf festival.shortfilm.com
Filmstill: FAQ (Mariama Bah, Lea Kaiser & Jonas Riedel)